„Für die Filmproduktion,
sowie für die Formen der Filmdistribution und der
Filmkonsumtion ist von ausschlaggebender Bedeutung,
dass die Filmware massenmäßig erzeugt werden
kann. Die Massenproduktion erfordert die Massenkonsumtion,
während die Massenkonsumtion, die in einer großen
Zahl von einzelnen oder in kollektiven Konsumtionsakten
bestehen kann, die Massenproduktion voraussetzt. Für
die Massenproduktion und –konsumtion ist das Vorhandensein
einer Distributionsform notwendig, welche die produzierte
Massenware einer Masse von Konsumenten zugänglich
macht, d.h. den Massenkonsum ermöglicht. Der Massenkonsum
resultiert aus dem Vorhandensein und der Befriedigung
gleicher oder ähnlich strukturierter Bedürfnisse
einer großen Zahl von Menschen“ (Bächlin,
S. 83f). Die Produktion von Massenkonsumtionsmittel
ist kapitalistisch und auf Gewinn ausgerichtet. Ein
eindeutiges Merkmal der Massenkonsumtionsmittel ist
die Produktion für den anonymen Massenkonsum. Den
Film beschränken keine örtlichen, zahlenmäßigen
und gesellschaftlichen Gebundenheiten. Vor allem der
Stummfilm ermöglichte durch seine Ungebundenheit
an der Sprache eine grenzüberschreitende Verbreitung.
Die Produktion findet im Vergleich zur Konsumtion an
wenigen Orten statt.
Anfangs wurden die Apparate für die Filmproduktion
und –vorführung auf handwerklichen Wegen
von Wissenschaftlern, Photographen und Mechanikern hergestellt,
doch bald wurden die Geräte industriell erzeugt,
nicht nur weil man die Gewinnchancen in dieser neuen
Branche witterte sondern auch weil die Technik an sich
Präzisionsarbeit erforderte. Durch die Verfeinerung
der Technik, mechanisch und optisch, wurde es erst möglich
Filme individueller zu gestalten, wie zum Beispiel durch
verschiedene Objektive oder bewegliche Kameras.
Beim Film findet ein einmaliger Produktionsakt statt,
der einen enormen finanziellen, personellen, organisatorischen
und technischen Aufwand in sich birgt. Dies führt
auch zu einer ausgeprägten Arbeitsteilung und Spezialisierung.
Da durch den finanziellen Aufwand sehr viele Unternehmen
daran interessiert sind mit der Herstellung eines Films
auch Gewinn zu machen, ist die Auslebung der künstlerischen
Freiheit eingeschränkt. In der Zeit des Stummfilms
stand die künstlerische Komponente des Films noch
mehr im Vordergrund, doch der Film ist eine Ware und
diese muss wirtschaftlich interessant sein. „Die
Bedingungen der Preisbildung für den Film weichen
zum Teil von denen für die meisten übrigen
Produkte ab, da die Herstellungskosten der zur Vervielfältigung
der Konsumakte benötigten Kopien im Verhältnis
zu den Herstellungskosten des Grundprodukts irrelevant
sind“ (Bächlin, S. 113). Filme, die mit hohen
Produktionskosten gedreht wurden (bekannte Stars, bekannte
Vorlagen, große Ausstattung) werden als „A-Movies“
bezeichnet, weniger aufwendigere Produktionen als „B-Movies“.
Durch seine Kapitalintensität erforderte der Film
eine massenweise Vermarktung, die durch einfache und
kostengünstige Vervielfältigung ermöglicht
wurde, aber die nur erfolgreich sein konnte durch die
„Zurichtung der Filmprodukte auf reale oder vermeintliche
Massenbedürfnisse“ (Heller, S. 246).
Schon 1910 kann man die Seher eines Filmes auf rund
77.000 Menschen schätzen, da der Filmstoff aber
oft von anderen kopiert wurde kann man annehmen, dass
die Film-Idee insgesamt 3.465.000 Menschen gesehen haben
(vgl. Heller, S. 47). Pfemfert meinte 1911, dass das
Kino der Unterhalter der breiten Volksschichten, ihr
Lehrer und Erzieher sei. „Wahrlich: dieses Kino
ist der passende Ausdruck unserer Tage“ (Heller,
S. 47). Von vielen Intellektuellen dieser Zeit wurde
der Film als verblödendes Konsumgut kritisiert,
doch andere sahen die Möglichkeit durch den Film
Einfluss auf die Gesellschaft zu nehmen.
Um die Jahrhundertwende erwuchs also „der Literatur
in Gestalt des jungen Film zum ersten Mal ein massenmedialer
Konkurrent von völlig neuer Qualität. [...]
mit und in dem Film [verschaffte sich] eine neue Stufe
in der Vergesellschaftung der Kunstproduktion wie –rezeption
Ausdruck [...] und [wurde] so zu einer bis dahin beispiellosen
Herausforderung für die literarische Intelligenz
[...] – in der Theorie wie in der Praxis, als
potentielles Betätigungsfeld wie als Katalysator
für eine ästhetische Selbstverständigung
unter den Bedingungen der modernen Industriegesellschaft“
(Heller, S. 244). Kurz; unter den Bedingungen der Industriegesellschaft
entwickelte der Film eine neue Herausforderung für
Autoren. Mit dem Aufkommen des Films eröffneten
sich neue publizistische und ästhetische Perspektiven,
insbesondere neue Darstellungs- und Wirkungsmöglichkeiten.
Die Gestaltung und die Inhalte der Filme verändern
sich equivalent zu der Veränderung und den Lebensbedingungen
der Gesellschaft.
Heller beschreibt in „Film als Ware“ sehr
gut drei Gründe durch die es der Film geschafft
hat zum Massenmedium aufzusteigen:
1. „Seine wirtschaftliche Organisation:
Indem der Film, ursprünglich eine technische Sensation
und Attraktion der Jahrmärkte, sich binnen kürzester
Zeit nach Maßstäben entwickelter kapitalistischer
Rationalität industriell organisierte und im Zuge
der sozialen Ausweitung seines ursprünglich plebejischen
Marktes über die proletarischen Vorstädte
mit Kino-Theatern in die Kulturreservate des Bürgertums
einbrach, wurde er der kultur- und bildungstragenden
Intelligenz nachgerade zum Paradigma der Kommerzialisierung
von Kunst in der Moderne.
2. Seine gesellschaftlich-kulturelle
Bedeutung: Ungeachtet der Ausweitung des literarischen
Marktes seit den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts,
gelang es dem Film, binnen weniger Jahre ein Massenpublikum
an sich zu binden und damit eine Publizität zu
erlangen, an die das Theater und die Literatur –
am wenigsten die ästhetisch anspruchsvolle –
nicht im mindesten heranreichten; ein Faktum, das die
kulturelle, insbesondere literarische Intelligenz in
ihrem tradiertensozialen Selbstverständnis entscheidend
traf: vor allen anderen sozialverantwortlich legitimiert
und berufen zu sein, als Repräsentant freier geistiger
Kreativität schlechthin ideell eine gesamtgesellschaftliche
Leit- und Orientierungsfunktion wahrzunehmen.
3. Sein ästhetisches Material:
Die Apparatur des Films, so unbeholfen ihre Handhabung
auch in den Anfangsjahren noch wahr, ermöglichte
im Prinzip eine völlig neue Art sinnlicher Aneignung
und Gestaltung von Wirklichkeit. Die Reduktion und Konzentration
allen Geschehens auf das Sichtbare, auf stumme bewegungserfüllte
Bilder verhieß – zumal bei der gezielten
Ausnutzung des manipulativen Potentials des filmischen
Instrumentariums (vom Schnitt bis zur Trickoptik) –
eine von allen bekannten Kunstgattungen grundsätzlich
geschiedene Wahrnehmungs- und Darstellungsweise“
(Heller, S. 244f).
Schon die Anfänge des Films zeigen, dass er durch
seine günstigen Vorraussetzungen prädestiniert
dazu war ein Medium der Massen zu werden. Die Entwicklung
hat sich bis heute fortgesetzt und hat wohl durch die
Verbreitung des Films im täglichen Fernsehen seinen
vorläufigen Höhepunkt erreicht. Im multimedialen
Bereich könnten aber noch gewaltige Möglichkeiten
verborgen liegen den Film als Massenmedium zu nützen.
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